Leben in Italien: Warum die Ampeln hier nicht wirklich rot sind

[Text: Dr. Iris Wangermann] Schneematsch oder Regen auf der Straße, klirrende Kälte und mürrische, hektische Menschen mit Schnupfnasen in den U-Bahnen. Der Winter in Deutschland kann wirklich anstrengend sein- und der Sommer ist auch nicht immer verlässlich. Wenn Sie sich an manchen Tagen manchmal weit weg an einen sonnigen Ort wünschen, dann kann ich Ihnen ein Auslandssemester oder Praktikum in Bella Italia wärmstens empfehlen.

Italien gilt immer noch als das Sehnsuchtsland vieler Deutscher. Südliche Sonne, freundliche und attraktive Menschen, die am Meer und auf der Piazza das süße Leben genießen. Die Menschen in Italien – so denkt mancher seufzend – wissen einfach, wie man das Leben genießt. Und sie haben völlig recht damit.
Italien für Techniker.

Doch natürlich soll das Auslandsstudium in diesen leistungsorientierten Zeiten auch zu etwas nützlich sein. Was können angehende Techniker aus ihrem Italien-Aufenthalt mitnehmen? Nähern wir uns der Antwort auf diese Fragen mit einem alten Sprichwort: „Die Deutschen lieben die Italiener, ohne sie zu schätzen und die Italiener schätzen die Deutschen, ohne sie zu lieben.“ Produkte aus Deutschland stehen für Qualität und das wird in aller Welt geschätzt. Produkte aus Italien stehen für Eleganz, Schönheit und Kreativität – beste Beispiele sind die Autos von Alfa Romeo oder Lamborghini. In Deutschland folgt die Form immer der Funktion. In Italien ist das eher umgekehrt. Und genau das können Sie in Italien lernen: Schauen Sie den Meistern der Fächer Eleganz, Schönheit und Kreativität über die Schulter und bringen Sie dann bitte beides zusammen.

Doch wie lässt sich der Kulturschock vermeiden? Hier ein paar Tipps:

Bella figura – oder warum in Italien ein schicker Anzug nie verkehrt ist. Schöne Menschen gibt es überall. Oder besser: es gibt keine hässlichen Menschen. Doch die Menschen in Italien scheint eine ganz besondere Aura zu umgeben. Ob jung oder alt, klein oder groß, dick oder dünn, Mann oder Frau, die meisten sind bis ins kleinste Detail passend zu ihrer Persönlichkeit gekleidet. Mühelos erschaffen Sie eine zeitlose Eleganz, die im Gedächtnis bleibt, aber niemals auffallend wirkt.

Da gibt es die italienische Ladenbesitzerin, die tagtäglich im bestens sitzenden Kostüm im Geschäft steht, der Verkäufer aus der Lottoannahmestelle, der in elegantem Anzug mit passenden Schuhen arbeitet, oder die italienische Hausfrau, die man niemals ohne perfekte Frisur und passende Handtasche im Supermarkt antrifft. Ein Freund von mir trieb es mal auf die Spitze: er fuhr mit drei blütenweißen Hemden und der obligatorischen Sonnenbrille im Mini-Rucksack zum Camping nach Sardinien. Damit ging er an den Strand, ins Restaurant und in die Stadt – und sah dabei natürlich immer großartig aus.

Man darf jetzt nicht den Fehler machen und mit der deutschen Brille die Menschen in Italien vielleicht als besonders eitel einstufen. Sie legen einfach sehr viel Wert darauf, in jeder Lebenslage eine gute Figur zu machen. Das nennt man „fare una bella figura“ und äußert sich eben in schöner Kleidung, ästhetischem Äußerem, ebenso aber auch in Respekt, Höflichkeit und gutem Benehmen anderen Menschen gegenüber – ganz unabhängig vom Alter. Ebenso wird viel Wert darauf gelegt, den anderen nicht direkt und offen zu kritisieren – etwas wofür Menschen in Deutschland – im kulturellen Vergleich – ganz besonders bekannt sind. Davon würde ich Ihnen abraten. Das Gegenüber – und man selbst übrigens auch – verlieren dabei das Gesicht, ähnlich wie in Asien.
Ursprünglich kommt das daher, dass jeder Mensch seine Familie nach außen hin repräsentiert. Benehme ich mich daneben, fällt das auf meine gesamte Familie zurück. Und mit der will man es sich nicht verscherzen, denn sie ist Schutzwall und Netzwerk in allen Lebenslagen. So hat sich – parallel zu einer unglaublichen Kultur- und Kunstgeschichte – ein sehr feiner Sinn für ästhetische Details entwickelt.

Wenn Sie in Italien studieren, dann müssen Sie sich nicht so viele Gedanken über Ihre Kleidung machen, denn der Dresscode an der Universität ist eher leger. Sollten Sie als Praktikant aber am Arbeitsleben teilnehmen, sollten Sie sich korrekt kleiden. Dabei geht es nicht darum sich teuer, aber ordentlich zu kleiden. Denken Sie einfach an Ihre bella figura.

Warum in Italien die Uhren anders ticken

Pünktlichkeit ist eine Tugend. In Deutschland. In Italien nicht. In Deutschland funktioniert alles nach der Uhr. Uhren geben unser Leben vor. Zeit ist Geld. Das hängt mit der deutschen Geschichte und auch mit der protestantischen Arbeitsethik zusammen. Kommt die Deutsche Bahn zehn Minuten zu spät und wir dann auch, dann kommen unsere fein getakteten Pläne durcheinander. Eine Katastrophe.

Diese Haltung führt aber auch dazu, dass es vielen Menschen in Deutschland schwer fällt, kreativ und gelassen mit Ungeplantem umzugehen. In Italien ist das anders. Hier geben nicht die Uhren das Tempo vor, sondern die jeweilige Person oder Situation, mit der ich es zu tun habe. Man lässt sich das Leben nicht von Uhren diktieren, lebt stärker im Moment und kann in Folge viel kreativer und spontaner auf alle unvorhersehbaren Umstände des Lebens eingehen. Ein gutes Übungsfeld für Kreativität!

Ein Beispiel:
Am eigenen Leib erfahren konnte ich das, als ich in einem Projektteam eine große Konferenz mitorganisierte. Am letzten Abend vor Veranstaltungsbeginn sagten die Stuhl-Lieferanten ab. Eine Katastrophe, denn wo sollten die ganzen Zuhörer sitzen? Zu meiner großen Überraschung lies sich aber niemand aus der Ruhe bringen. Ein paar entspannte Telefonate hier, ein paar Diskussion dort und am nächsten Morgen waren neue Stühle rechtzeitig vor Ort.

Sollten Sie ein Praktikum in Italien machen, dann rate ich Ihnen allerdings auf jeden Fall pünktlich zu sein – man erwartet das von einfach von einem Deutschen. Und dann nehmen Sie sich etwas mit, was Sie erledigen können, bis die anderen eintreffen und üben Sie sich in italienischer Gelassenheit.

Warum die Ampeln in Italien nicht wirklich rot sind

Wächst man in Deutschland auf, ist man sich manchmal gar nicht mehr bewusst, wie unhinterfragt man allen möglichen Regeln folgt. So erzählte ich einer italienischen Freundin etwas frustriert, das ich mit dem Fahrrad bei Rot über die Fußgänger-Ampel gefahren bin und dass ich nun ein Bußgeld von 10,- Euro zahlen müsse. „Aber warum bist Du denn nicht einfach abgehauen?“ „Das geht doch nicht“, war meine Antwort. Sie: „Aber Du hättest doch einfach sagen können, dass Du kein Geld dabei hast.“ Ich: „Man muss doch den Ausweis zeigen.“ „Aber den musst Du ihm doch nicht geben. Du hättest sagen können, dass Du ihn vergessen hast.“ Ich: „Aber den Ausweis muss man doch immer dabei haben.“ Sie schüttelte verwundert den Kopf: „In Italien hatten die Vespas bis vor ein paar Jahren hinten noch nicht einmal Kennzeichen. Da kam es eben darauf an, wer schneller war, die Polizei oder ich.“ kommentierte sie entgeistert meine brave Regelbefolgung. Vielleicht sollte ich an der Stelle noch erwähnen, dass diese Freundin aus einer gutbürgerlichen Familie und nicht etwa aus leicht zwielichtigem Milieu stammt.

Man darf das nicht falsch verstehen. Natürlich gibt es in Italien – wie in allen Kulturen dieser Welt – Regeln, die das Zusammenleben bestimmen. Nur gibt es wenige Länder wie Deutschland, die diese so unhinterfragt befolgen. In Italien ist eine rote Ampel eher eine Orientierungshilfe, als Ausdruck einer strikt zu befolgenden Regel, die die persönlicher Freiheit nur einschränken würde.

Dieser Unwillen gegenüber strikter Einhaltung von und dem flexiblen Umgang mit Regeln kommt daher, dass die Menschen in Italien sich über Jahrhunderte nicht auf einen funktionierenden Staat verlassen konnten. Das führte zu einer kreativen Selbstorganisation der Bürger und Schaffung von eigenen Regeln in allen Lebenslagen, was die Italiener zu Meistern der Kreativität und Spontanität machte.

Eleganz, Kreativität und Gelassenheit

Entfliehen Sie also dem deutschen Matschwetter für eine Weile, tauchen Sie ein in das Land des dolce vita und üben Sie sich in Kreativität, Eleganz und Spontaneität. Und dann bringen Sie dies und was Sie in Deutschland gelernt haben zusammen. Man wird Sie dafür schätzen und lieben.

Dr. phil. Iris Wangermann, Diplom-Psychologin: Arbeitete, studierte und genoss das süße Leben zwei Jahre in bella Roma und war weitere drei Jahre fester Bestandteil einer italienischen Großfamilie. Heute arbeitet sie als Vertretungsprofessorin für Interkulturelle Wirtschaftskommunikation an der HAW Hamburg und bereitet als Interkulturelle Trainerin Manager/innen auf Italien, Österreich und die USA vor; sowie Studierende im Soft skills-Bereich an Hochschulen auf den Auslandsaufenthalt.

www.iris-wangermann.de

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